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Argentinisches Filmdrama - "Eureka"

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"Es wäre alles andere als banal, die Schönheit und die Dunkelheit Amerikas, die Menschen, die es bewohnen und die Menschen, die es beschädigen zu zeigen." Das schrieb der argentinische Filmregisseur Lisandro Alonso in seinen Notizen zum Dreh seines neuesten Films. Jetzt kommt "Eureka" in die Kinos.

In deutschen Schulen wird das griechische Wort "Heureka" ausgesprochen und bedeutet: "Ich habe es gefunden". Das soll der griechische Gelehrte Archimedes ausgerufen haben, nachdem er eine Methode gefunden hatte, das Gewicht von Gold zu ermitteln. Lisandro Alonso, 1975 in Buenos Aires geboren, hat sechs Spielfilme gedreht und wird dem neuen argentinischen Kino zugerechnet, das nach der großen Krise des Landes eine andere Filmsprache suchte.

Die dunkle Macht des Goldes

Es geht in "Eureka" um die Frage, welchen Einfluss die europäischen Einwanderer auf die indigene Bevölkerung Amerikas hat. Gemeint sind beide Amerikas, der Norden und der Süden. Alonso dreht in der Pine Ridge Reservation der Oglala Lakota in den Vereinigten Staaten und er dreht bei einer indigenen Gemeinschaft in Brasilien, den Chatinos. "Eureka", so heißt das Staatsmotto des Bundesstaates Kalifornien, des Goldgräber Staates.

Der Film beginnt mit einer fast grotesken Verzerrung eines Western. Viggo Mortensen spielt einen alten Haudegen, der in einer kleinen Goldgräberstadt ankommt und seine Tochter sucht. Die Sequenz ist in schwarz-weiß gedreht, mit nostalgisch abgerundeten Rahmen. Sie enthält alle Stereotypen des Western. Aber Lisandro Alonso inszeniert in dieser vertrauten Bildsprache einen fast biblischen Sündenpfuhl: Saufbolde, Huren, eine verkommene Nonne – das erinnert in der Verzerrung an die Kunst von George Grosz, wird dann aber aus der Filmvergangenheit auf überraschende Weise in die Gegenwart überführt.

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Aufgebaut wie ein Altarbild

Lisandro Alonso baut seinen Film auf wie ein Triptychon. Die Geschichte im Zentrum handelt von einer Polizistin in der Pine Ridge Reservation. Alaina fährt eine Nachtschicht, der Wetterbericht warnt vor einem Schneesturm. In der Realität ist Alonsos erster Kameramann beim Dreh in der Kälte kollabiert. Alaina, die von einer echten Angehörigen der Stammespolizei in der Reservation gespielt wird, hat in der einsamen Nacht nur Kontakt zu ihrer Funkzentrale. Sie wird in ein Haus gerufen, in dem es zu Gewalttätigkeit gekommen ist, ein Mädchen wird vermisst. Und als Zuschauerin scannen wir mit dem Blick der Polizistin den Ort ab, der nur von dem rot blauen Warnsignal des Einsatzfahrzeuges erleuchtet werden.

Im Film kann man zuschauen, wie sich die bleierne Müdigkeit der Nachtschicht sich auf ihre Glieder senkt. Es ist nicht nur die Müdigkeit des Dienstes. Als sie in das Casino der Reservation gerufen wird, bleibt sie in einem Hotelzimmer einfach stehen.

"Eureka" ist kein Film über das Finden, sondern ein Film über das Verschwinden, von Kulturen, von Menschen von Stimmen, von Verbindungen. Auch Alainas junge Verwandte, die Basketballtrainerin Sadie, spürt diesen Verlust so schmerzlich, dass sie eines Tages ihren Großvater um einen Zaubertrank bittet, der sie in eine Vogel verwandeln soll.

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Intensität der Laiendarstellerinnen

Sadie Lapointe und Alaina Clifford spielen die Schwere des Gemüts so intensiv, dass man mit ihnen bangt und mit ihnen trauert. Der Film lässt die junge Sadie vor ihrer Reise lange allein auf dem Sofa sitzen. Sie nimmt Abschied von ihrer Welt, von der Reservation, ehe sie davon fliegt. Der schwächste Part, der dritte Teil des Films, spielt im brasilianischen Urwald. Er ist gedreht in einer indigenen Gemeinschaft, aber man hat den Eindruck, es gibt keine richtige Verbindung zwischen Regisseur und Darstellern. Alles wirkt steif und hölzern wie auf einer Theaterbühne.

Ungewöhnliche Bildsprache

Lisandro Alonso sagt, er wäre gern Maler geworden. Er legt seinen Film an wie Malerei. Dazu gehört die Form des Triptychons. Dazu gehört auch, dass er Bilder so lange stehen lässt, dass man sie studieren kann. Das Chaos in einem Haus mit Drogensüchtigen, den Küchentisch von Sadies Großvater zum Beispiel. Die Farben erinnern an die Leuchtkästen des kanadischen Fotokünstlers Jeff Wall. Am Drehbuch hat der argentinische Dichter Fabian Casas mitgearbeitet. Auch die Sprache lässt Raum zum Nachspüren. Durch diese Ästhetik ist "Eureka", trotz der Schwäche im letzten Teil, ein faszinierender, hinreißender, bedrückender Film geworden über den vernichtenden Einfluss des Goldes.

Simone Reber, radio3