William Youn, Pianist © Irène Zandel
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Pierre Boulez Saal - Klavierabend William Youn

Bewertung:

Der Pianist William Youn, Anfang 40, in Südkorea geboren, aber schon lange in Deutschland lebend, zählt zu den erfolgreichsten Vertretern seiner Generation, vor allem als Kammermusiker, aber auch als Solist vor allem mit Musik von Mozart und Schubert.

Und das scheint auch alles zu passen. William Youn präsentiert sich als sonniger Charakter. Wenn er am Flügel sitzt, braucht man keinen Wintermantel. Auch sein Auftritt ist freundlich und sympathisch, konzentriert geht er an die Musik, verbeugt sich leicht lächelnd, setzt sich ans Instrument und putzt noch schnell die letzten Staubkörner von den Tasten.

Der Schubert-Interpret

William Youn kennt seinen Schubert. Die Sonaten hat er alle aufgenommen, und in der hier präsentierten späten A-Dur-Sonate zeigt sich sofort die Dringlichkeit, mit der er wirklich etwas mitzuteilen hat. Das singt, da kann man sich sofort im Sessel zurücklehnen, genießen und Freude haben. Das Traum-Dur, wenn Schubert nicht die harte Realität zeichnet, sondern die Illusion dessen, was schön sein könnte, ist bei Youn eine Musik ganz ohne Straßenschäden.

Die Abstürze dieser Sonate, besonders im langsamen Satz (fis-Moll!), will William Youn hingegen nicht so ganz wahrhaben. Wenn Schubert die Hölle aufreißt, geht der Pianist eher in Deckung. Außer im Schluss-Satz, da spürt man bisweilen hinter der melodischen Wärme einen fröstelnden Wind, fühlt sich von Skeletthänden berührt. In den vielen stockenden Pausen hält man den Atem an. Ja, wenn er die ganze Sonate so gespielt hätte, das wäre das reine Schubert-Glück, oder besser: die ganze Schubert-Wahrheit.

Unterkomplexer Edelstahl

John Adams für Klavier, das hat man auch nicht alle Tage. William Youn hat dessen "Phrygian Gates" auf das Programm gesetzt, das ist so halb Minimal Music, immer irgendwie ein rhythmischer Puls, aus dem dann mal der eine oder andere Ton herausplautzt. Und wenn es dem Komponisten zu dumm wird, ändert er mal schnell die Struktur.

Wie William Youn das umsetzt, ist durchaus bemerkenswert – virtuos, mit schönster Anschlagskultur, das klingt blankgeputzt wie mit dem Edelstahlreiniger behandelt. Dass das Stück mit seiner knapp halbstündigen Dauer doch ziemlich unterkomplex ist – daran kann auch Youn nichts ändern. Die Arbeit, das einzustudieren, hätte er sich für Besseres aufheben sollen.

Doppeltes in memoriam

Sein Stück "Erdenklavier – Himmelklavier" hat Peter Eötvös seinem Kollegen Luciano Berio gewidmet, komponiert einen Tag nach dem Tod Berios. Mit seinen nach düsterem Beginn immer höher steigenden Tönen zeichnet es das Bild des Verstorbenen, der jetzt eben auf einem Himmelklavier spielt.

Dass William Youn gerade dieses Stück gewählt hat, wird kein Zufall gewesen sein – knapp zwei Wochen nach dem Tod von Peter Eötvös. Jetzt ist es eben Eötvös selbst, der im Himmel in die Tasten greift. Das hatte etwas unglaublich Rührendes – nach diesen nur vier Minuten musste man heimlich eine Träne verdrücken.

Ein Schritt zum ganz Großen

Dieser Klavierabend war ein Genuss, voll und ganz. Das musikalische Können von William Youn, technisch und klanglich, nicht zuletzt auch in Maurice Ravels "Barque sur l’océan" mit unglaublicher Griffsicherheit und Relaxtheit, dazu in den beiden Zugaben, einem Schubert-Impromptu und Schumann-Liszts "Widmung" bzw. "Liebeslied".

Da möchte man dem Pianisten danken für so viel Freude und Wellness. Und wenn er noch eine Spur mehr zulassen würde, dass Musik auch Abgründe schildern kann – das wäre ein Schritt – dann könnte er wirklich einer der ganz Großen sein, da ist er knapp davor.

Andreas Göbel, rbbKultur