"Written on Skin" von George Benjamin an der Deutschen Oper Berlin © Bernd Uhlig
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Deutsche Oper Berlin - "Written on Skin"

Bewertung:

Bei der Uraufführung "Written on Skin" (in derselben Inszenierung 2012 in Aix-en-Provence) erklärte Le Monde die Oper von George Benjamin für das Beste seit Alban Bergs "Wozzeck". Seither tourt die Produktion durch die Welt, jetzt ist sie – nach 12 Jahren – auch in Berlin angekommen.

Regisseurin Katie Mitchell reiste nicht mehr an. Auch singt der Uraufführungssänger des 1. Engels, Bejun Mehta, die Rolle längst nicht mehr. Trotzdem markiert der neu geprobte und neu besetzte Abend einen der rundesten Premieren-Erfolge in Berlin seit langem. Als der beseligt grinsende Komponist (und sein Librettist Martin Crimp) die Bühne betritt, wollen die Leute schier dahinschmelzen.

Fünf Räume stapelt das Bühnenbild von Vicky Mortimer übereinander

"Saftigkeit" ist auch ein wesentlicher Erfolgsgrund der Komposition. Für jede der 15 Szenen (das Ganze hat Kinolänge und ist nach 90 Minuten wieder vorbei) hat Benjamin eine sehr andere Farbe vorgesehen. Wagnersche Goldadern, tonale Einschlüsse und aufsteigende, Bartóksche Bläschen wollen die Oper als solche zwar nicht neu erfinden; dienen dem Stoff aber doch. Die Geschichte von "gegessenen Herzen" wurde vom "Herz-Maere" des Konrad von Würzburg (im Mittelalter) über Boccaccio bis ins 20. Jahrhundert hinein vielfach variiert (hier besteht die Vorlage im "Guillem de Cabestanh – Le cœur mangé" aus dem 13. Jahrhunderts). Ein gehörnter Ehemann lässt seine Frau das Herz des Nebenbuhlers verspeisen; anschließend stürzt sich diese aus dem Fenster. Die drei Engel, die die Geschichte erzählen und in sie eingreifen, blicken von oben auf unsere Welt herab.

Fünf Räume stapelt das Bühnenbild von Vicky Mortimer übereinander: darunter ein Büro, eine Abstellkammer und das Innere eines vergilbten Knusperhäuschens, in dem die Bäume aus dem Parkett heraus und durch die Decke wachsen. Ein Wimmelbild, in dem immer irgendwo etwas wuselt. Ich glaube nicht, dass die Inszenierung als großer Wurf bezeichnet werden muss. Zweckdienlich ist sie doch.

Szene aus "Written on Skin" an der Deutschen Oper
Bild: Bernd Uhlig/Deutsche Oper

Ein schöner und erfolgreicher Abend

Aryeh Nussbaum Cohen gibt den 1. Engel mit ingwerfrischem, hell gebeiztem Countertenor. Mark Stone ist ein sehr britischer "Protetctor" (so der Rollenname des Ehemanns). Am meisten bejubelt wird Georgia Jarman als sirenenhaft betörende Agnès – zu Recht. Das Orchester der Deutschen Oper spielt unter Marc Albrecht so innerlich gelöst und zugleich dramatisch selbstverständlich, als wär’s "Tosca" oder "La bohème". Das Orchester hat am sehr schönen Erfolg des Abends weit mehr Anteil als sonst.

Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur