Verità Baroque Ensemble: The Italian Album © Evil Penguin
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Album der Woche | 15.04. - 21.04.2024 - Verità Baroque Ensemble: "The Italian Album"

Das in Stuttgart gegründete, international besetzte Verità Baroque Ensemble stellt auf seinem zweiten Album Konzerte und Sonaten aus Italien vor. Temperamentvoll und stilsicher präsentiert es die Stücke von Corelli, Vivaldi & Co. Allerdings ist die CD mit nicht einmal 50 Minuten Dauer sehr kurz. Dies liegt daran, dass das in vier deutschen Schlössern aufgenommene Album wie sein Vorgänger nur das Beiprodukt eines viel größeren, "immersiven" Projektes ist.

Taya König-Tarasevich hat Verità Baroque 2020 zusammen mit dem italienischen Cellisten Bartolomeo Dandolo Marchesi gegründet. In Sibirien aufgewachsen, hat sie in Russland, Deutschland und den USA Hochschulabschlüsse auf moderner und historischer Flöte erworben. Wenn sie ihr Ensemble beschreibt, klingt es nicht nach Understatement:

"Ich denke, die Vitalität und Energie, die wir in diese Musik stecken und mit welcher Hingabe wir das tun, existierte auf dem reichen Markt europäischer Barockensembles noch nicht.“

International

Zwar ist das junge Ensemble in Stuttgart beheimatet, doch es besitzt lediglich zwei deutsche Mitglieder. Die Mehrzahl der Musiker stammt aus Italien, und dies kommt daher, dass Bartolomeo Dandolo Marchesi sie ausgesucht hat. Sein Bruder Guglielmo ist als Konzertmeister der Pulsgeber der Gruppe – und das italienische Temperament tritt jederzeit hervor. Ihr Ansatz steht in der Tradition des Mailänder Barockorchesters "Il Giardino Armonico", dessen Aufnahmen vor bald 40 Jahren die Alte-Musik-Szene aufgemischt haben.

Revolution

Verità Baroque wurde aber nicht nur als herkömmliches Konzertensemble gestartet. Die Vision von Taya König-Tarasevich lautet vielmehr "Wir wollen das Concert Experience revolutionieren!" Ausgangspunkt ihrer Idee ist die Einschätzung, dass man in großen Konzertsälen oft nur gut sehen oder nur gut hören könne. Ihr Ziel ist es, beides zu ermöglichen und "dem Zuhörer den allerbesten Platz zu bieten“, und der befindet sich nach ihrer Ansicht innerhalb des Ensembles.

Multimedia

Daher hat sich Verità Baroque – auch dank der Bundesmittel aus dem Förderprogramm "Neustart Kultur" – mit einer belgischen Firma zusammengetan, die auf "Immersive Audio/Video" spezialisiert ist. Es geht um den Effekt, wenn Menschen mithilfe illusorischer Stimuli die virtuelle Umgebung als real empfinden. Damit sich Nutzer mitten im Ensemble wähnen können, platzierte man bei den Aufnahmen Kameras und Mikrophone in die Mitte und die Musiker stellten sich kreisförmig darum auf.

Zweitverwertung

Um in den Videos auch eine visuell ansprechende Umgebung zu haben, wurde die Musik in deutschen Schlössern aufgenommen. In jeder Location spielte man deutsche und italienische Kompositionen. Eigentlich war ein Erscheinen auf CDs nicht vorgesehen gewesen, doch da das Aufnahmeteam von den Audios sehr begeistert war, brachte man im letzten Jahr zunächst ein "German Album" und nun das "Italian Album" heraus.

Surround-Kabinen

Der eigentliche Zweck der Aufnahmen liegt in einer neuartigen Präsentation von Barockmusik. Es ist geplant, die Videos in kleinen Kabinen auf Rundum-Leinwände zu projizieren und mit bestem Ton ein hautnahes Erlebnis von Immersion zu ermöglichen. Taya König-Tarasevich würde diese Kabinen gerne an vielen öffentlichen Orten aufstellen und hat eine Agentur mit der Suche nach Investoren beauftragt. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit, "dass jeder dieses Erlebnis haben darf, unabhängig von seinem sozialen Status, Einkommen und so weiter.“

Dadurch hofft sie auch ein neues Publikum für ihre Musik zu gewinnen.

Highlights

Da die Musik in den Videos viele Menschen ansprechen soll, findet man keine sehr ausgefallenen Werke auf dem Programm. Ein Concerto grosso von Corelli und das Konzert "La notte" von Vivaldi zählen zu vielfach eingespielten Barock-Highlights. Mit einer Sonate für zwei Violinen von Vivaldi, einer Sinfonia von Albinoni und einem "Concerto a quattro" von Galuppi sind aber auch Stücke vertreten, denen man nicht ständig begegnet.

Auftragskomposition

Den Abschluss bildet schließlich ein effektvolles rasantes Prelude des Komponisten Nicola Canzano, mit dem Taya König-Tarasevich seit ihrem Studium an der New Yorker Juilliard School befreundet ist. Mit dieser Auftragskomposition möchte die Flötistin ihre eigene Affinität und die von Verità Baroque zur zeitgenössischen Musik ausdrücken. Dass nur ein Teil des Werkes aufgenommen werden konnte und ans Ende des Albums rückte, illustriert jedoch die Absurdität des Plattenmarktes. Denn ihr Label fand, mit einem größeren Umfang an Neuem bestünde die Gefahr, "dass der Markt nicht weiß, wer genau wir sind."

Rainer Baumgärtner, radio3

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