"Gloria!" von Margherita Vicario © tempesta srl
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Musikalisches Drama | Berlinale Wettbewerb - "Gloria!"

Bewertung:

Eine wilde Mischung aus Märchen, Drama, Komödie und Musical – bei ihrem Debütfilm geht die italienische Sängerin und Regisseurin Margherita Vicario gleich in die Vollen. Ihre Geschichte über ein Mädchenorchester, das vor dem Papst auftreten soll, ist zwar weder schlüssig noch historisch verbürgt, macht aber trotzdem Spaß. Zumindest dann, wenn man auch mal eine Portion Kitsch aushalten kann ...

Venedig im Jahr 1800: In dem katholischen Waisenhaus Sankt Ignazio herrscht große Aufregung. Schließlich soll der Papst zu Besuch kommen! Weil napoleonische Truppen große Teile Europas besetzt halten, muss der neue Pontifex hierhin ausweichen: Doch wie empfängt man einen solch hohen Gast in einem kleinen Waisenhaus?

Gloria!, hier: Galatéa Bellugi, Regie: Margherita Vicario; © tempesta srl
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Ein Konzert muss her!

Ein Konzert muss her, am Besten ein Meisterwerk, das der alte Maestro Perlina (Paolo Rossi) in aller Eile komponieren soll. Er leitet das Orchester des Waisenhauses: Lauter junge Frauen zwischen 15 und 25, die zwar in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sind, in denen aber große musikalische Talente schlummern. Da ist Lucia (Carlotta Gamba), die erste Geigerin, die von einem Leben außerhalb der Anstaltsmauern träumt, die temperamentvolle Bettina (Veronica Lucchesi), die schüchterne Marietta (Maria Vittoria Dallasta), ihre Freundin Prudenza (Sara Mafodda) und schließlich Teresa (Gallatéa Bellugi), von der alle glauben, sie sei stumm und die deshalb gar nicht Teil des Orchesters sein darf.

Das Klavier wird zur Stimme

Ausgerechnet Teresa entdeckt eines Tages beim Putzen im Keller des Waisenhauses ein Klavier, das ein reicher Gönner den Mädchen von Sankt Ignacio vermacht hat – eine kleine Sensation und ein musikalischer Vorgriff auf eine neue musikalische Epoche. Teresa entwickelt an dem Instrument nicht nur ihre Musikalität, sie findet auch ihre Stimme und ihr Selbstbewusstsein wieder, die sie nach einer Vergewaltigung durch den schurkischen Governatore (Natalino Balasso) verloren hatte.

Die Noten fließen aus den Fingern

Von nun an versammeln sich Teresa, Lucia, Marietta, Prudenza und Bettina jede Nacht am Klavier. Und während der greise Perlina vergeblich versucht, irgendetwas Brauchbares für den Papst zu Papier bringen, fließen den jungen Frauen die Noten geradezu aus den Fingern. Schnell ist das starre Gerüst der Barockmusik gesprengt und es wird verspielter, jazzig geradezu – am Ende wird sogar gesungen!

Historische Fakten spielen keine Rolle

Historisch verbürgt ist die Geschichte nicht, aber das war auch nicht der Anspruch von Margherita Vicario. Ihr Film sei vor allem eine Hommage an all die weiblichen Komponistinnen und Musikerinnen dieser Zeit, die unbekannt geblieben seien. So hat sie es in der Pressekonferenz zum Film gesagt. Vicario wollte zeigen, wie Musik zum Ventil wird für die Gefühle der jungen Frauen und wie sie zu ihrer Emanzipation beiträgt.

"Gloria!" von Margherita Vicario © tempesta srl
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Ganz auf die Musik zugeschnitten

Die 36-jährige Vicario, in ihrer Heimat bislang vor allem als Schauspielerin und als Sängerin bekannt, hat ihren Film ganz auf die Musik zugeschnitten. Das merkt man gleich zu Beginn des Films in einer wunderbaren Szene, die das Leben im Waisenhaus zeigt: Die Mädchen waschen ihre Kleider, die Köchinnen schneiden Gemüse und klappern mit den Töpfen, Teresa fegt den Hof – alles passiert im Takt und daraus entwickelt sich dann eine Partitur.

Lauter Beifall und empörte Buhrufe

Später, wenn die Musik opulenter wird und die Genres sich mischen, wird es dann auch mal kitschig: "Rock Me Amadeus" trifft da auf "Rondo Veneziano" - das kann man in einem Märchen schon mal machen. Für Freunde der historischen Aufführungspraxis ist es allerdings nur schwer zu ertragen. Und so sind die Reaktionen des Publikums dann auch am Ende gespalten. In den lauten Beifall mischen sich auch ein paar empörte Buhrufe. Ähnlich ist es übrigens auch auf der Leinwand: Denn während die Gemeinde in der Kirche tanzt, fällt dem Papst die Kinnlade runter und der Governatore erleidet noch während des Konzerts einen Herzinfarkt.

Carsten Beyer, rbbKultur

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