"Black Tea" von Abderrahmane Sissako © Olivier Marceny / Cinéfrance Studios / Archipel 35 / Dune Vision
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Drama | Berlinale Wettbewerb - "Black Tea"

Bewertung:

Gestern Abend hat der Film "Black Tea" des in Mauretanien geborenen Regisseurs Abderrahmane Sissako Wettbewerbpremiere gefeiert. Er gilt als einer der bekanntesten Filmemacher aus dem subsaharischen Afrika und ist zum ersten Mal im Wettbewerb der Berlinale vertreten, seine letzten Werke "Reise ins Glück" und "Timbuktu" liefen noch in Cannes. Bisher waren die Hauptthemen seiner Filme Migration und die Folgen der Kolonialisierung.

Seinem Thema bleibt Sissako treu. Er nimmt nicht den bekannten Blickwinkel ein - bei ihm geht es nicht um Fluchtbewegungen, um Migration aus ökonomischer oder kriegsbedingter Not, sondern eher um kulturellen Austauschs und Begegnung. Und es geht nicht um Migration in den Westen, sondern in den Osten, von Afrika nach China.

Nicht Flucht aus der Krise, sondern Migration als kultureller Austauch

Der Film beginnt mit einer Art Massenhochzeit, in deren ersten Reihe sitzt Aya, die sich dann allerdings gegen das Heiraten entscheidet und überraschend "nein" sagt. Nina Melo spielt sie als stolze, wachsam und selbstbewusst in die Welt schauende Frau, die sich hier emanzipiert - im Grunde in ganz ähnlicher Weise, wie sich der Film von den klassischen Erzählungen über Afrika emanzipiert. Aya beschließt, ein neues Leben anzufangen - und zwar in China, in der sogenannten Chocolate City, einem Stadtteil der chinesischen Hafenstadt Guangzhou, in der viele afrikanische Einwanderer leben.

Visionär und Träumer

In China haben die Immigranten wie überall auf der Welt mit Diskriminierung und Rassismus zu kämpfen, das schlägt gelegentlich durch, wenn sich beispielsweise die Friseure des Viertels über ihre Erfahrungen austauschen. Aber es ist nicht das Thema von Sissako, der im Grunde seines Herzens ein Träumer ist, ein Visionär, der an die Kraft der Begegnung und des Austauschs glaubt und Afrika ebenso wie China jenseits der gängigen Klischees und Vorurteile zeigen will. Entsprechend behutsam, respektvoll und vor allem sehr sinnlich ist seine Annäherung - vor allem von Interesse Neugier und Offenheit geleitet. Das ist kein rauer dokumentarischer Realismus, sondern eher eine verträumte, manchmal fast märchenhafte Annäherung, die meistens auch nicht im Tageslicht, sondern im warmen Licht der Nacht stattfindet. Aya beginnt in einem Teeladen zu arbeiten und wird von dem chinesischen Besitzer bald in die Kunst der Teezeremonie eingeweiht.

"Black Tea" von Abderrahmane Sissako © Olivier Marceny / Cinéfrance Studios / Archipel 35 / Dune Vision
Bild: Olivier Marceny / Cinéfrance Studios / Archipel 35 / Dune Vision

Sinnlichkeit und Verführung

Recherchiert hat Sissako mit seiner Drehbuchautorin Kessen Tall zwar in Chocolate City, gedreht hat er allerdings in Taiwan. In seinem Film zelebriert der eine Sinnlichkeit, die immer wieder an "In the Mood for Love" erinnert: Eine Sinnlichkeit mit erotischem Knistern, die sich ähnlich diskret und zurückhaltend, aber ähnlich geheimnisvoll entfaltet wie in dem Film von Wong Kar-Wai .

Wenn der chinesische Besitzer des Laden Tee zelebriert und Aya in diese alten chinesischen Traditionen einweiht, ist das auch ein Akt der Verführung: in bedachten Bewegungen, sanften Berührungen, in der Achtsamkeit mit der Tee abgefüllt und aufgegossen wird, eine Kanne oder Tasse berührt und zum Mund geführt wird.

Bei der gestrigen Pressekonferenz haben auch die Schauspieler, die aus verschiedenen Ländern und Kulturen zusammengekommen sind, von der Kraft dieser Begegnung geschwärmt. Davon, wie sie gespürt haben, dass Menschen aus aller Welt mehr verbindet als trennt. Das mag eine Binsenweisheit sein, grenzt im Film gelegentlich auch ein bisschen an Kitsch. Dennoch wäre es zynisch, das zu bezweifeln: Miteinander reden, sich aufeinander einlassen, sich zuhören ist und bleibt die einzige Chance - egal um welche Krisen es geht.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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